Das Sonnencreme-Dilemma

Bei der Sonnencreme liegen giftig und gesund nicht weit auseinander. Schützen wir unsere Haut mit den Sonnenschutzfiltern Octinoxat und Oxybenzon, schaden wir Korallen. UV-Strahlen können Krebs verursachen, gewisse Chemikalien in den Cremes womöglich auch. Und so weiter. Etwas ratlos komme ich zum Schluss, dass Rot eh nicht gut ist und zu Hause im abgedunkelten Zimmer bleiben auch nicht, und greife zu einer mineralischen Sonnencreme.

Anders als konventionelle Filter, die in die oberen Hautschichten eindringen und dort die UV-Strahlung in harmlose Wärme umwandeln, reflektieren die mineralischen die Sonne. «Sonnenpaste» würde es aber eher treffen als Sonnencreme. Schliesslich habe ich mich für ein Produkt ohne Nanopartikel entschieden. Verkleinert man die strahlenabweisenden Substanzen so, dass sie über 1000 Mal dünner sind als der Durchmesser eines Menschenhaares, lässt sich der mineralische Sonnenschutz besser verteilen. Was man aufträgt, ähnelt dann tatsächlich einer Creme. Der Nachteil: Nanopartikel gehören möglicherweise wiederum zur Kategorie «giftig für irgendetwas». Zumindest ist das noch nicht umfassend erforscht.

Ergo: Was ich aus der Tube drücke, ist frei von Nanopartikeln und hat die Konsistenz der Spachtelmasse, die man vor der Wohnungsabgabe in Löcher hineindrückt. Ich male mich mit dem Zeugs an, streiche und reibe, damit ich wenigstens gleichmässig weiss bin. Wobei – das ist ja gar nicht weiss – das ist rosa! «Getönt» steht in der Packungsbeilage. Wieso denn das? Soll das etwa «hautfarbig» sein? Ich bin doch nicht rosa, sondern eine Mischung aus weiss, gelb, braun. Und «hautfarbig» ist sowieso die rassistischste Farbbezeichnung, die ich kenne.

Symbolbild mit gelben, braunen und rosa Farbstiften.

Ich erinnere mich daran, wie wir als Kind im Zeichenunterricht den rosa Zeichenstift weiterreichten, damit auch die tamilische Klassenkameradin ihre Menschen «hautfarbig» anmalen konnte … Wie dem auch sei: Zumindest mein Sommerteint ist nun tatsächlich rosa – und ich reflektiere.

Erschienen am 06.07.2022 im «Bieler Tagblatt»

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