Bild von leerem Klassenzimmer, Stühle hochgestellt, Blick geht Richtung Wandtafel

Wegen des Lehrermangels werden Quereinsteigerinnen in einem Schnellkurs ausgebildet. Doch ein «Chläberli» reicht nicht – es braucht Leim, damit das Schulsystem nicht auseinanderfällt.

Aktuell sind im Seeland 42 Jobs für Lehrpersonen ausgeschrieben, ein gutes Drittel sind Stellvertretungen. Aber da ist auch eine Stelle als Klassenlehrperson für die fünfte und sechste Klasse in Täuffelen und eine Stelle als Schulleiterin in Twann.

Schulleitungen werben mit schönen Pausenplätzen und guter Infrastruktur. An der Kantonsgrenze ist die Situation besonders prekär, da die Lehrerinnen nach Solothurn abwandern, wo sie für ihre Arbeit besser bezahlt werden.

Es ist seit einigen Jahren die immer gleiche Leier: Die Schülerzahlen steigen, die Babyboomer gehen in Pension, Lehrer wollen Teilzeit arbeiten. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Das Bundesamt für Statistik hat ausgerechnet, dass schweizweit auf der Primarstufe bis 2031 zwischen 43 000 und 47 000 neue Lehrkräfte rekrutiert werden müssen. Im gleichen Zeitraum werden aber voraussichtlich nur rund 34 000 Diplome ausgestellt.

Weil ein schöner Pausenhof und neue Computer nicht reichen, suchen der Kanton und die Pädagogische Hochschule (PH) Bern nach anderen Möglichkeiten, jeder Klasse eine Lehrperson vorzusetzen. Pensionierte werden zurückgeholt, Pensen erhöht und Studierende eingespannt. Und es werden Personen ohne Diplom angestellt.

Unterrichtende ohne entsprechende Ausbildung sind inzwischen so zahlreich, dass die PH Bern einen Kurs ins Leben gerufen hat, um sie wenigstens minimal auszubilden.

Erstmals hat sie ein Sommercamp durchgeführt für Unterrichtende ohne Diplom. Zwei Wochen dauerte die Schnellbleiche. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden nach den Sommerferien Schulklassen unterrichten. Manche tun dies bereits seit Monaten. Dass es für sie überhaupt eine Möglichkeit gibt, sich Wissen dafür anzueignen, ist ein Fortschritt.

Ohne Zweifel gibt es geborene Lehrerinnen, die Schülerinnen zu begeistern vermögen, auch ohne Diplom.

Aber es gibt auch die anderen. Aus der eigenen Schulzeit ist bekannt: Wenn ein Lehrer innerhalb von 45 Minuten 121-mal «Ähm» sagt, beginnt auch die bravste Klasse eine Strichliste zu führen; und konzentriert sich schliesslich nur noch auf die Anzahl «Ähms» statt auf die ägyptische Geschichte. Es ist schwer vorstellbar, dass Lehrerinnen, die es sich nicht gewöhnt sind, vor einer Gruppe zu sprechen, nach einem zweiwöchigen Kurs bereit sind, eine Klasse zu übernehmen.

Sind sie überfordert, stehen ihnen die erfahrenen Lehrpersonen bei. Jene werden mehr Zeit im Klassen- und Lehrerzimmer verbringen und möglicherweise mit dem Gedanken spielen, das Pensum zu reduzieren.

Gleichzeitig trägt ihr Image einen Schaden davon. Da kann ja jeder Dahergelaufene unterrichten. «Was muss man dafür schon können? Wofür braucht es ein dreijähriges Studium, wenn ich nach einem zweiwöchigen Kurs Lehrer bin?», wird sich manch einer sagen.

Die Schnellkurse sind ein «Chläberli» im Heft eines Quereinsteigers, der selbst ein «Chläberli» ist im rissigen Schulsystem.

Dass erfahrene Lehrpersonen entlastet werden können, hat der Kanton Bern vor einem Jahr gezeigt. Damals hat er das Angebot von Klassenhilfen auf alle Stufen der Volksschule ausgeweitet. Menschen mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen unterstützen die Lehrerinnen und Lehrer in verschiedenen Belangen.

Es klingt nach einer Win-win-Situation. Denn nach einer halbjährigen Assistenz ist eine Klassenhilfe eingearbeitet – und wohl besser dafür vorbereitet, als Lehrperson einzuspringen als jemand, der ausschliesslich einen Schnellkurs besucht hat. Gleichzeitig ist Unterrichten angenehmer, wenn man jemanden an der Seite hat.

Attraktive Arbeitsbedingungen sind zwingend, wenn es darum geht, Leute für einen Beruf zu gewinnen. Am meisten zieht der Lohn. Es tönt einfach: Erhöht der Kanton Bern die Löhne, jagt ihm Solothurn weniger Lehrpersonen ab.

Finanzielle Anreize sind umso wichtiger, da das Lehrersein ein Problem hat, das vielen Berufen fremd ist: die fehlende Karriereleiter. Der Beruf ist undurchlässig – und zwar in beide Richtungen. Für Lehrerinnen ist es schwierig, ausserhalb des Klassenzimmers Fuss zu fassen. Quereinsteiger stehen zwar schnell einmal vor einer Klasse, doch die Hürde fürs Diplom ist hoch. Bis anhin mussten Berufsmaturandinnen eine Prüfung bestehen, um an der PH Bern zu studieren und viele mussten Vorkurse besuchen, um sie zu bestehen. Im September startet nun ein neuer Studiengang, bei dem Personen mit einer Berufsmaturität ohne Ergänzungsprüfung ein Diplom erlangen können, das nur im Kanton Bern gültig ist.

Das zeigt, dass die Institutionen darauf aus sind, nicht nur «Chläberli» einzusetzen, sondern langfristige Lösungen zu finden. Davon braucht es mehr.

Bis jetzt ist es immer irgendwie gegangen. Die Stellen wurden besetzt, das Thema rückte in den Hintergrund, bis im nächsten Jahr wieder zahlreiche Klassen drohten, ohne Lehrerin dazustehen.

Aber vielleicht sollte man es einfach mal so weit kommen lassen. Erster Schultag, Znüni bereit, Schulweg geübt – doch der Unterricht findet nicht statt. Fünftes Schuljahr in Täuffelen – fällt aus. Dann würde der Druck gross. Vielleicht käme dann ein Leim zum Einsatz, der das Schulsystem zusammenklebt.

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Kommentare

Guten Tag,
macht ihr es Euch nicht etwas zu Einfach. Unser bereits etwas älter Lehrerin unterrichtete mich mit 42 Schulkameraden/innen. Einige hätten auch damals bereits eine „Sonderschule (vielleicht auch ich) besuchen müssen ….. Generell, wenn ich mich von den zT. „Schnudergofen, den flegelhaften Eltern und auch der juristischen Obrikeit diskriminieren lassen muss, soll ich mich da noch täglich einem Job abmühen….
Die Behandlung/Personalmangel ist nicht nur in der Schulstube ein Problem, dasselbe Betrifft noch diverse Berufsgattungen wie Pflegepersonel, Angestellte im Service nicht zuletzt auch unsere Sicherheitsbeamten die der heutigen Zeit lieber den Rücken zukehrt als zuallerletzt nach jeden Einsatz mit Rüge und Verurteilung zu rechnen hat….
Gruss RK

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