Der Marktplatz der Uhrenstadt ist auf tausenden Bildschirmen erschienen. Für die Ausführung des «Donnschtig-Jass» war in Grenchen Präzision gefragt, denn bei einer Livesendung kann vieles schiefgehen.

Erschienen am 08.07.2022 im «Bieler Tagblatt»

Zu Hause vor dem Fernseher schauen vielleicht 400 000 Menschen zu, vor ihr sind zwölf Monitore: Die Bildmischerin sitzt im Regiewagen in einer Seitengasse des Grenchner Marktplatzes. Rund alle zwei bis sieben Sekunden erscheint bei den Zuschauerinnen und Zuschauern eine neue Bildeinstellung vom «Donnschtig-Jass» auf dem Display. Die Bildmischerin schneidet live. Zwar hat der Regisseur, der hinter ihr im Wagen sitzt, einen Plan erstellt. Mal sollen die Karten der Jasserinnen und Jasser in Nahaufnahme zu sehen sein, mal die Showbühne, mal der ganze Platz von oben. Doch die Bildmischerin muss ständig auf Unvorhergesehenes und Spontanes reagieren.

Bild aus dem Regiewagen mit den Kameras.
Copyright: Matthias Käser / «Bieler Tagblatt»

Von den zwölf Kameras, die die Bildmischerin überblickt, sind drei fix installiert und unbemannt. Eine Kamera ist ein sogenannter Kran. Der lange Arm ragt auf den Platz hinaus und kann ausgefahren werden. «Bleiben Sie während der Sendung sitzen», mahnt Moderator Stefan Büsser das Publikum. Niemand soll mit dem beweglichen Kamerakran kollidieren.

Die Menschenmenge auf dem Marktplatz in Grenchen. Darüber der Kamerakran.
Der Kamerakran über den Köpfen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Copyright: Matthias Käser / «Bieler Tagblatt»

Dann ist da dieser Kameramann, der so aussieht, als bestünde er zur Hälfte aus einer Kamera. Das Ding, das er trägt, ist gegen 25 Kilogramm schwer. Das Bild huscht um die Personen herum.

Florian Ast ist bei der Probe eine Frau

Für den «Donnschtig-Jass» hat sich der Marktplatz in Grenchen in ein Fernseh-Set verwandelt. Grenchen ist die erste Station der Sommertour. Während sieben Wochen treten jeden Donnerstag in einer anderen Gemeinde zwei Teams gegeneinander an. Das Siegerteam holt in der Folgewoche die Sendung in seine Gemeinde. 2019 hat ein Team aus Grenchen gewonnen. Doch dann kamen die zwei Coronajahre. Deshalb ist der «Donnschtig-Jass» erst jetzt in der Stadt.

Am Montag ist das SRF-Team angereist und hat mit dem Aufbau begonnen. Dann folgten am Mittwoch die ersten Proben. Am Donnerstagnachmittag studierten zuerst die Show-Acts und die Musikerinnen ihre Auftritte ein. «Sie müssen wissen, wo sie durchgehen und wo sie anhalten müssen, und die Kameraleute müssen wissen, wer wann filmen muss», erklärt der redaktionelle Leiter Marco Krämer. Als Florian Ast angekündigt wird, winkt eine Frau in die Kamera – es sind zum Teil noch Statisten im Einsatz.

Ab 16 Uhr wird die ganze Sendung einmal durchgespielt. Moderator Rainer Maria Salzgeber muss seine Positionen kennen. Für den Fall, dass er einmal vergessen sollte, wo er hingehört, habe er einen Knopf im Ohr mit der Stimme des Regisseurs, sagt Krämer vom SRF.

Porträt-Foto von Marco Krämer. Im Hintergrund die Bühne für die Show-Acts.
Marco Krämer ist der redaktionelle Leiter des Donnschtig-Jass. Copyright: Matthias Käser / «Bieler Tagblatt»

Gerade als es mit der Generalprobe losgehen soll, trifft noch ein Fanlager ein. Mit Glockengeläut überqueren die Jass-Fans den Platz und setzen sich an einen Tisch. Dann geht es los. Einige Bilder in den Monitoren sind noch verwackelt, einmal schaffen es die Moderatoren nicht rechtzeitig aufs Podest.

Stefan Büsser, Rainer Maria Salzgeber und Schiedsrichterin während der Sendung auf dem Podest.
Schafften es in der Live-Sendung rechtzeitig aufs Podest: Die Moderatoren Stefan Büsser, Rainer Maria Salzgeber und Schiedsrichterin Sonia Kälin. Copyright: Matthias Käser / «Bieler Tagblatt»

Nebst dem Ablauf müssen auch Ton und Licht stimmen. «Man muss die bestehende Lichtstimmung aufnehmen», sagt Marco Krämer. Das bedeutet, dass man abends um acht Uhr den Platz nicht hell ausleuchten darf. Gleichzeitig brauche es aber ausreichend Licht und dieses dürfe keine Schatten in die Gesichter werfen. Über die Lautsprecher auf dem Platz hören die Anwesenden fast dasselbe wie die Zuschauerinnen zu Hause. Aber nur fast: Der Ton für das Fernsehen wird separat im Regiewagen gemischt. «Das könnte man nicht eins zu eins so übertragen», sagt Krämer.

Oft sei der Applaus noch zu laut, wenn Rainer Maria Salzgeber schon weiter moderiere. «Würde er lauter sprechen, um das Klatschen zu übertönen, würde der Ton überschlagen.» Deshalb muss das Publikum vor Ort damit leben, dass es manchmal nicht alles ganz so gut mitkriegt, wie wenn es in den eigenen vier Wänden geblieben wäre.

Nur keine Fehler beim Jassen

Es windet. Servietten flattern über den Platz. «Wir müssen aufpassen, dass wir die Karten behalten können», sagt Rainer Maria Salzgeber. Die Jasserinnen und Jasser knipsen die gespielten Karten fest.

Bei einer Live-Sendung kann schon ohne Wind vieles schiefgehen. Wie Marco Krämer erzählt, komme es immer wieder vor, dass eine Kamera aussteigt oder ein Scheinwerfer oder ein Mikrofon. Die technischen Zwischenfälle seien aber selten so gravierend, dass man nicht senden könne. «Das Wichtigste ist, dass beim Jassen alles korrekt läuft», so Krämer. Der häufigste Fehler sei, dass die Kandidaten eine falsche Farbe spielen. Um das zu verhindern, gibt es die sogenannten Stöcklimänner.

Bei der Generalprobe sind sie noch nicht dabei, aber sobald es ernst wird, stehen sie hinter den Jasserinnen und tippen sie mit einem Stock an, sollten diese versucht sein, eine falsche Karte zu spielen.

Ein Stöcklimann steht auf der Bühne der Jasserinnen und Jasser. So,d ass er nicht im Kamerabild ist.
Die Stöcklimänner greifen ein, bevor jemand eine falsche Karte spielt. Copyright: Matthias Käser / «Bieler Tagblatt»

Ausserdem könne es auch mal vorkommen, dass Schiedsrichterin Sonia Kälin falsch zusammenzählt oder Rainer-Maria Salzgeber nicht die Karte legt, die der Jasser am Telefon nennt, sagt Krämer. Spielt doch beim «Donnschtig-Jass» immer ein Spieler am Telefon mit offenen Karten für das Publikum. Unbemerkt bleiben Fehler allemal nicht: «Da gibt es sofort Anrufe aus dem Publikum und wenn wir den Fehler nicht schon in der Sendung bemerken, erhalten wir nachher garantiert E-Mails.»

Zu Hause kommt alles verzögert an

Und dann geht es los. Der Applaus ist geübt, Stefan Büsser hat den Anwesenden eingetrichtert, dass sie nicht in der Nase bohren sollen – schliesslich richte sich die Kamera immer im blödsten Moment auf einen. «Hallo Gränche!», ruft Rainer Maria Salzgeber und Grenchens Stadtpräsident, François Scheidegger nimmt den Hammer in beide Hände, um den Hau-der-Lukas zu schlagen – und so zu bestimmen, mit welchen Karten und welchem Trumpf die erste Partie gespielt wird.

Die Teams aus den Gemeinden Neckertal (St. Gallen) und Schönengrund (Appenzell Ausserrhoden) sitzen am Tisch bereit.

Wenig später taucht auf dem Marktplatz in Grenchen Moderator und Comedian Stefan Büsser seinen Kopf in Brunnen, nachdem er die Chilisauce probiert hat, mit der ein Grenchner den ersten Platz an einer Schärfe-Weltmeisterschaft gemacht hat. Und zwischen 7 und 40 Sekunden später sehen die Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause, wie Stefan Büsser sein Gesicht ins Wasser drückt. Seit das Fernsehen nicht mehr analog, sondern digital ist, gibt es nämlich eine Verzögerung. Das ist denn auch der Grund, weshalb der Jasser oder die Jasserin am Telefon seit gut zehn Jahren nicht mehr wirklich zu Hause am Hörer sitzt. «Die sind jeweils in diesem Wagen neben dem Regiewagen», verrät Marco Krämer.

  • DER «DONNSCHTIG-JASS» IN ZAHLEN
  • 3 Kilometer Kabel wurden für den «Donnschtig-Jass» in Grenchen gebraucht
  • 9 Kameraleute waren während der Sendung im Einsatz
  • 12 Lastwagen sind für die «Donnschtig-Jass»-Tour jeweils unterwegs
  • SRF hat circa 20 Tonnen Gerüstmaterial nach Grenchen gebracht
  • Gegen 60 Personen von SRF waren an der Produktion beteiligt
  • 200 Scheinwerfer beleuchteten den Marktplatz
  • Rund 2500 Personen haben in Grenchen den «Donnschtig-Jass» live gesehen
  • Rund 400 000 Zuschauer verfolgten den Anlass am Fernseher
  • Das Schweizer Fernsehen verrät nicht, wie viel die Sendung kostet. Nur so viel: Unterhaltungsformate in dieser Grösse kosten rund 400 000 Franken. Beim «Donnschtig-Jass» ist es laut Marco Krämer von SRF etwas weniger.
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