Ein Grasfrosch schaut aus dem Teich.

Auf dem Weg zu ihrem Laichplatz hüpfen gerade Hunderte Grasfrösche und Erdkröten durchs Mettmoos. Dank Amphibienleitern können sie sich nun retten, wenn sie in einen Schacht fallen.

Erschienen am 10.03.2023 im «Bieler Tagblatt»

Erst nach einigen Schritten auf dem Kiesweg fällt auf: Das ist kein Laub, das hüpft. Dort am Wegrand streckt ein dunkelgrauer Frosch seine Schenkel mit dieser seltsam gummigen Bewegung, um einige Zentimeter weiter vorne wieder auf den Weg zu plumpsen. Es ist ein Grasfrosch. Und dort ist noch ein zweiter, hellroter. Und in der Böschung sitzen vier weitere.

Gilles Lauper schätzt, dass gerade rund 500 Amphibien im Mettmoos unterwegs sind. Sie kommen aus dem Längholzwald und wollen zu den künstlich angelegten Teichen auf der ehemaligen Abfalldeponie in Biel-Mett.

Gilles Lauper ist Umweltingenieur bei der Prona AG und hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Fröschen, Kröten und Molchen auseinandergesetzt.

Gilles Lauper hält ein Grasfrosch in den Händen.
Gilles Lauper ist zwar kein Experte in Amphibien-Biologie, aber in Amphibien-Rettung.
Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Sobald im Frühling die Temperaturen auf einige Grad über dem Gefrierpunkt steigen und es genug feucht ist, machen sich die Tiere in den Nächten auf zu ihren Laichplätzen. Sie können mehrere Kilometer pro Nacht zurücklegen.

Bedrohte Arten

Gilles Lauper erzählt, dass erste Frösche die Reise bereits im Februar angetreten hätten. Doch dann folgte der Kaltwettereinbruch mit der Bise und die Wanderung wurde unterbrochen.

In der Nacht auf Donnerstag sei es nun aber richtig losgegangen, sagt Lauper. Die Grasfrosch-Männchen sind jeweils die ersten, die loswandern, danach folgen die Erdkröten.

Ein Grasfrosch sitzt auf dem nassen Waldboden.
Ein Grasfrosch auf Wanderung.
Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Ein Grasfrosch sitzt auf dem Kiesweg.
Und noch einer.
Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Gemäss der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (Karch) sind weltweit 7000 Amphibienarten bekannt, in der Schweiz leben jedoch nur gerade 19.

Amphibien sind in der Schweiz stark bedroht – 14 der hiesigen Arten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. In den letzten 100 Jahren sind viele ihrer Laichgewässer verschwunden. Um den Bestand zu schützen, hat der Bund die wichtigsten Fortpflanzungsgebiete in das Inventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung aufgenommen. Das Mettmoos ist seit über 30 Jahren in diesem Inventar.

Die Amphibien, die angehüpft und angekrochen kommen, um sich hier zu paaren, sind jedoch Gefahren ausgesetzt.

Gefährliche Wanderung

Bereits in den 1970er-Jahren machten Tierfreunde darauf aufmerksam, dass beim Überqueren von Strassen ganze Amphibienzüge von Autos überrollt werden, wie auf der Website der Karch zu lesen ist. Um das zu verhindern, werden Zäune aufgestellt und Fangkübel vergraben. Jedes Jahr sammeln freiwillige Helferinnen in der Schweiz mehr als 270 000 Amphibien ein, um sie von einer Strassenseite auf die andere zu tragen, wo die Tiere ihren Weg fortsetzen können.

Doch der Verkehr ist nicht die einzige Gefahr: Hüpfen Kröten einem Trottoir entlang, werden sie manchmal von Wasserabflüssen verschluckt. Von feuchten Verstecken angelockt, fallen sie ausserdem oft durch die Gitterstäbe von Schachtdeckeln. Finden sie keinen Weg aus dem Schacht ins Freie, werden sie immer schwächer, bis sie schliesslich verenden. Oder aber sie werden in die Kläranlage gespült, wo der sichere Tod wartet.

Klettern, um zu überleben

Entlang der Kieswege durchs Mettmoos gibt es einige dieser gefährlichen Schachtdeckel. Gilles Lauper ist aufgefallen, dass viele Frösche und Molche dort hineinfallen. Er betont, dass er kein Amphibien-Spezialist sei – «ich kümmere mich eher um konkrete Massnahmen».

Begonnen habe alles mit einer App: Er beobachtete Amphibien und trug die Sichtungen in die Webfauna-App ein. «Dann sagte ich mir: Wenn ich schon ein Problem entdeckt habe, dann kann man auch etwas dagegen machen.»

Vor vier Jahren hat er eine Studie durchgeführt, um herauszufinden, inwiefern Abwassersysteme in Biel und Brügg eine Gefahr für Amphibien sind. Seine Forschung wurde zur Rettungsaktion: Er befreite aus den Schächten rund um das Mettmoos innerhalb eines Jahres rund 200 Amphibien.

Zusammen mit Angestellten des Bieler Strasseninspektorats hat Lauper im Frühling 2021 sogenannte Amphibienleitern installiert, die Hilfe zur Selbsthilfe bieten sollen: Bei rund 20 Schachtdeckeln haben sie metallene Kabelbinder an den Gitterstäben angebracht. Daran hängt ein schwarzer Maschendraht in den Schacht hinunter, unten mit einem Stein beschwert. «Das ist ganz billig und einfach, mit maximalem Effekt», sagt Lauper. Die Frösche können an dem groben Gewebe hochkraxeln in die Freiheit.

Gilles Lauper hebt einen Schachtdeckel am Wegrand an. Die Amphibienleiter ist daran befestigt.
An diesem Maschendraht können die verunfallten Amphibien hochklettern.
Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Gilles Lauper kniet sich neben einen Schacht am südlichen Ende des Mettmoos und schaut hinunter. Da sei vorher einer an der Leiter aufgestiegen. Nun ist das Tier schon durch die Gitterstäbe geschlüpft und sitzt daneben im Laub. Nicht alle Amphibien retten sich so flink. Manche blieben stecken, weil die Gitter zu eng sind. Und wenn es stark regne, trage die Strömung die Tiere weg, ehe sie zu einer Leiter finden. «Wenn sie aber erst einmal festsitzen, suchen die meisten einen Ausweg und finden die Leiter», sagt Lauper.

Letztes Jahr hat er auch in Brügg bei der Bärletschule solche Amphibienleitern installiert. Zusammen mit dem Werkhof der Gemeinde. Und als Nächstes will Lauper im Lindenquartier einige Schächte ausrüsten.

Laich im undichten Teich

Derweil gurren im Mettmoos die Grasfrosch-Männchen, um Weibchen anzulocken. Die meisten sitzen im südlichsten, grossen Teich.

Gegen 50 Frösche im Teich. Man erkennt sie erst auf den zweiten Blick.
Man zähle die Frösche …
Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Aber auch in den anderen Teichen und Pfützen finden sich Laichballen. In einem paaren sich zwei Erdkröten. Leider werde ihr Nachwuchs wohl nicht überleben, sagt Gilles Lauper. Denn die künstlich angelegten Teiche sind undicht geworden und trocknen aus. Gerade den kleineren geht oft das Wasser aus, bevor die Kaulquappen darin geschlüpft sind. Deshalb sollen die Teiche nun saniert werden.

NEUE TEICHE FÜR DAS METTMOOS

Das Mettmoos ist ein Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung. Doch die künstlichen Teiche, in denen Grasfrosch, Erdkröte, Gelbbauchunke, Bergmolch und andere Amphibien
laichen, sind undicht geworden.

Im Januar hat die Abteilung Naturförderung des kantonalen Amts für Landwirtschaft und
Natur bei der Bieler Stadtplanung das Baugesuch für eine Sanierung eingereicht. Dabei sollen auch weitere Teiche geschaffen werden. Unter anderem Betonringe, in denen sich das Wasser rasch aufwärmt und wo sich seltene Arten wie die Gelbbauchunke und die Kreuzkröte gerne fortpflanzen. Insgesamt sollen 1500 m² Wasserfläche entstehen. Die Arbeiten beginnen voraussichtlich im Frühherbst, wenn sich die Amphibien nicht mehr in den Teichen aufhalten, sondern in den Wäldern und Büschen leben.

Laut dem Umweltingenieur Gilles Lauper von der Prona AG, die das Projekt  im Auftrag der Abteilung Naturförderung erstellt hat, sind ausserdem Massnahmen im Lindenquartier vor-
gesehen. Zusammen mit den Kompensationsmassnahmen wegen des Baus des A5-Ostasts, bei denen eine Reihe von Teichen gebaut wurden, sollen so die Amphibiengebiete vom
Büttenberg bis zum Brüggmoos vernetzt werden. Das Ziel ist es, den genetischen Austausch zwischen den Populationen zu ermöglichen und die Bestände zu verstärken.

Die meisten Grasfrösche werden wohl noch dieses Wochenende ihre Laichballen in das Wasser legen und dann wieder im Wald verschwinden. Bald werden sich auch die Laichschnüre der Erdkröten um Wasserpflanzen und untergetauchte Äste winden. Im Mai tauchen dann die seltenen Kreuzkröten und später einige Gelbbauchunken.

Inmitten von Laichballen laicht ein Froschpaar.
Hier laicht ein Froschpaar. Die Laichballen werden in den nächsten Stunden aufquillen.
Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Im Sommer wird der Amphibiennachwuchs den Teich verlassen, um in den Landlebensraum zu wandern. Die Kreuzkröten zu den Steinhaufen im Mettmoos, die Grasfrösche in den Längholzwald – hoffentlich ohne Kletteraktion, um aus einem Schacht zu kommen.

Ein Grasfrosch schwimmt im Teich.
Bald geht er zurück in den Wald.
Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»
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