Beat Kohler imkert – wie schon sein Vater, sein Grossvater und sein Urgrossvater. Der Hobby-Imker aus Grenchen hält sich an die alten Weisheiten, tüftelt aber auch gerne an seinem Zimthonig.

Erschienen am 22.04.2021 im «Bieler Tagblatt»

Ein Garten am Aareufer: Obstbäume, Gemüsebeete, Efeu, Buchs, eine Wiese. Die Schafe bemerken die Besucherin sofort und kommen neugierig ans Gitter. Sie sind gemietet und fürs Mähen zuständig. Es sind nicht die einzigen Tiere, die für Beat Kohler arbeiten. 28 Bienenvölker leben im Bienenhaus, das neben seinem Elternhaus in Büren steht. Sobald man sich dem Bau mit den farbigen Türchen nähert, schwirrt und summt es von überall her. «Schauen Sie», sagt Kohler und zeigt auf Bienen, die neben den Eingangslöchern an der Wand kleben. «Sie kommen so schwer beladen zurück, dass sie den Eingang verfehlen.»

Im Dienste der Königin schwer beladen: Sommerbienen werden
rund 30 Tage alt, Winterbienen leben vom August bis im April. Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Fast alle professionellen Imker ziehen mit ihren Bienen den blühenden Pflanzen nach, um den Honigertrag zu steigern. Normalerweise produziert ein Volk rund 15 Kilogramm Honig pro Jahr, mit dem sogenannten Wandern kann der Ertrag auf 100 Kilogramm gesteigert werden. Kohler ist Hobby-Imker und seine Bienen haben ein festes Daheim. Im Innern des Bienenhauses riecht es nach Wachs.

Wenn die Populationen Ende Juni ihren Höchststand erreichen, leben in einem Kasten 30 000 bis 50 000 Bienen. Ihr Zuhause ist ein Altbau: Kohlers Grossvater hat das Schweizerkastensystem vor fast 100 Jahren gezimmert. «Davon kann ich mich nicht trennen», sagt Kohler.

In Beat Kohlers Garten finden die Bienen gesunde Nahrung direkt vor dem Türchen. Copyright: Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt

Der 62-jährige Maschinenbauer nahm 1968 sein erstes eigenes Bienenvolk in Obhut. Das Wissen über die Bienenhaltung habe er von klein auf mitgekriegt. Trotzdem: In den ersten drei Jahren nach dem Tod des Vaters habe es mit der Imkerei nicht wie gewünscht geklappt. «Da ich immer mithalf, wusste ich genau, was man machen muss – aber nicht wann», sagt Kohler.

Er habe bald gelernt, dass die Imkerei zur Hälfte aus Beobachten bestehe. Kohler scheint sich über seinen eigenen Eifer zu amüsieren, wenn er sagt, dass er alle Hochstammapfelbäume und Rapsfelder im Ausflugradius seiner Bienen kenne. «Schliesslich will ich wissen, wovon sie sich ernähren». Für die eigene Imkerei, seine Arbeit als Betriebskontrolleur, sein Engagement im Imkerverband, Vorträge und andere Aktivitäten wendet er jährlich bis zu 1000 Stunden auf.

Imkerei ist nichts Natürliches

Seit vor fast zehn Jahren Markus Imhoofs Film zum allgemeinen Bienensterben, «More than Honey», das Interesse der breiten Bevölkerung geweckt hat, wird Kohler häufig von Passanten gefragt, ob seine Bienen auch davon betroffen seien. Der Imker findet, dass die Sache etwas aufgebauscht werde. Doch auch er hat dieses Jahr zum ersten Mal eine hohe Sterblichkeit zu verzeichnen. Es sei normal, dass ein, zwei Völker den Winter nicht überleben, im letzten hat Kohler aber 14 verloren. Er sei überrascht, wie sehr ihn dies getroffen habe. Untersuchen lassen hat er die Bienen nicht: «Ich bin überzeugt, dass man im Labor die Ursache für ihren Tod nicht herausgefunden hätte.»

Grundsätzlich seien die Gründe für das Bienensterben vielfältig. Kohler glaubt, dass die Imker für einen Teil der Verluste selber verantwortlich sind, da sie Brutkrankheiten nicht rechtzeitig erkennen und so andere Völker im Umkreis angesteckt würden. Er zeigt sich aber auch besorgt über vermehrte Wetterextreme. Im warmen Februar dieses Jahres seien die Bienen ausgeflogen und hätten mit der Aufzucht einer Brut begonnen. In der darauf folgenden Kälteperiode hätten sie jedoch die dafür nötige Temperatur im Stock nicht halten können. «In einer solchen Situation braucht es nur eine kleine andere Belastung, und das Volk stirbt», sagt Kohler.

Er ist ausserdem davon überzeugt, dass Elektrosmog einen negativen Einfluss auf die Populationen hat. Wenn sein Handy nach Empfang suche, komme es vor, dass ihn die Bienen dort, wo er es verstaut hat, ins Überkleid stechen – für Kohler der Beweis, dass sie die Strahlungen wahrnehmen.

Ob Bienen etwas gegen Strahlung haben? Klar ist der Einfluss von Rauch, den die Imker bei der Honigernte einsetzen. Er betäubt oder beruhigt die Bienen nicht etwa, sondern löst einen Feueralarm aus und löst bei den Bienen den Instinkt aus, möglichst viel Honig aufzunehmen für die Flucht. Danach sind die Mägen voll, und die Bienen entspannt. Mit diesem Smoker rechts im Bild hat Beat Kohler schon als kleiner Junge gespielt. Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Man müsse sich bewusst sein, dass die Imkerei an sich nichts Natürliches sei. Wild lebende Bienenvölker hielten 1,5 Kilometer Abstand zueinander. «So viele Völker, wie ein Imker hält, finden nur dank dem Ackerbau und den Monokulturen ausreichend Nahrung», erklärt Kohler. Doch diese sollte möglichst unbehandelt sein. Und genau deshalb gebe es ein ständiges Mit- und Gegeneinander von Imkern und Obstbauern, die auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen sind, aber Pestizide einsetzen wollen.

In Kohlers Garten ist Gift natürlich tabu. Er möchte anderen Menschen anhand der Imkerei grössere Zusammenhänge aufzeigen und sie zu einem achtsamen Umgang mit der Umwelt animieren. So erklärt er etwa in Gartenzentren Interessierten, welche Pflanzen Bienen dienen, und macht bei der gemeinnützigen Interessengemeinschaft Rent a Bee mit, die Bienenvölkern einen Götti vermittelt. Die Patinnen unterstützen den Imker für ein Jahr, dürfen ihr Volk besuchen und erhalten im Gegenzug vier Kilogramm Honig.

Propolis für Hundeohren

Woraus der Honig besteht, ist Sache der Bienen. Kohlers Spezialität ist ein Zimthonig, den er auf Weihnachten hin herstellt. «Den Floh hat mir meine Tochter ins Ohr gesetzt, da sie in Amerika solche Dinge gesehen hat.» Da er von Leuten aus dem südosteuropäischen Raum immer wieder nach Wabenhonig, einer ganzen Wabe mitsamt Honig, gefragt worden ist, hat er auch solchen im Angebot.

Doch das ist bei weitem nicht alles: Kohler verkauft Honigquittenschnaps, Bienenwachskerzen, Bienenwachstücher, die als Frischhaltefolie-Ersatz dienen, Lippenstifte aus Bienenwachs oder Pollen zur Desensibilisierung bei Allergien. Diese gewinnt er mittels einer Pollenfalle, die er vor dem Bienenkasteneingang befestigt. Wenn Bienen Blütenstaub bringen – «hösele» in der Imkersprache –, müssen sie durchschlüpfen, wobei die Pollen von den Beinen gestreift werden.

Ein weiteres Bienenprodukt ist Propolis, ein Baumharz, das die Bienen verdauen und mit Fermenten angereichert ausgeben. Sie kleiden damit ihr Nest aus, um es vor Regen, Pilzen und Bakterien zu schützen. «Für mich ist Propolis ein Abfallprodukt, da die Bienen damit alles verkleben», sagt der Imker. Doch auch daraus lässt sich etwas herstellen: Propolistropfen werden zur Behandlung von Entzündungen eingesetzt. Es gebe «Hündeler», die sie kaufen, um die Ohren ihrer Vierbeiner zu behandeln, so Kohler. Alle seine Produkte sind liebevoll verpackt und mit einer Etikette versehen, die Kohlers Tochter, eine Grafikerin, designt hat. Das grosse Geld macht der Imker mit dem Verkauf nicht, er kann damit aber sein grosses Hobby finanzieren.

Propolistropfen, Blütenpollen und Bienenwachskerzen: Beat Kohler verkauft allerlei Bienenprodukte.
Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Technik und Natur

In der Werkstatt, neben dem Tisch, auf dem Kohler seine Bienenprodukte aufgestellt hat, zeichnen sich unter einem Leintuch die Konturen zweier Motorräder ab. Sie sind 40 und 36 Jahre alt. «Ich war früher ein Lufti- bus», sagt Kohler auf seine ruhige bodenständige Art. Seine Frau sei früher «auch so» gewesen – zusammen seien sie mit dem Töff von Schweden bis Marokko unterwegs gewesen.

Kohler sagt, er sei sich bewusst, dass seine Naturverbundenheit und der Motorsport nicht zusammenpassen: «Ich bin kein Engel und etwas Freude muss drinliegen.» Den einen Töff hat er selber zusammengebaut. Er sei immer schon von technischen Dingen fasziniert gewesen, weshalb er eine Lehre als Elektromechaniker gemacht habe.

Seine Fähigkeiten als Maschinenbauer kommen auch bei der Imkerei zum Einsatz: So hat Kohler bei drei Bienenkästen eine elektronische Waage eingebaut, «um zu kontrollieren, wie gut die Bienen arbeiten». Durch die Analyse der Gewichtsschwankungen habe er extrem viel gelernt. In der letzten Kälteperiode etwa habe der Bienenstock innerhalb einer Woche ein Kilogramm verloren, da die Bienen zuhause sitzen und heizen mussten und dabei ihre Vorräte auffrassen.

Bild von Bienenstock
Wie geht es den Bienen im Kasten? Copyright: Peter Samuel Jaggi / «Bieler Tagblatt»

Auch ansonsten tüftelt Kohler gerne – sei es an einer Rührmaschine für den cremigen Honig oder an neuen Kreationen wie einem eigenen Honigwein. Jetzt, da es auf die Pension zugehe, werde die Imkerei immer mehr zu seinem Lebensinhalt.

Im letzten Jahr sei er froh gewesen, dass er im Garten und bei den Bienen nichts von der Coronasituation gespürt habe. Ihm zufolge gehören die Imker zu den Profiteuren der Pandemie. Der Lockdown und das Homeoffice hätten einen Honig-Boom ausgelöst: «Die Leute sitzen zuhause und frühstücken», so Kohler. Als der Imker für das Foto vor das Bienenhaus steht, verfängt sich eine Biene in seinen Haaren und er wird zweimal gestochen. Sofort wiegelt er ab: 10 bis 20 Stiche an einem Arbeitstag seien normal. Erst ab 30 fühle er sich nicht mehr ganz wohl. «Dann ist es, als hätte ich zwei Flaschen Bier getrunken.»

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